Menschenrechts-Bibliothek

Warum brauchen wir vorurteilssensible Bücher?

 

Kinder erlernen und empfinden das als „normal“, was sie in ihrer Umgebung vorfinden. Zur kindlichen Umwelt gehören neben Bezugspersonen aus Familie, Kita, Schule und Freundeskreis auch Spielzeuge, Filme und Bücher. Hier setzen sich häufig veraltete Rollenbilder und Normen fort.

Ein einfaches Beispiel: die Held*in einer Geschichte ist weiß und kommt aus einem bürgerlichen Elternhaus, der Vater arbeitet, die Mutter macht die Hausarbeit. Aber: Kinder in Deutschland leben in vielfältigen Realitäten.

 

Es gibt Kinder, die nur mit einem Elternteil, bei Pflegeeltern oder im Heim aufwachsen, Kinder, die mit zwei Müttern/Vätern aufwachsen, Kinder, deren Eltern eine Behinderung haben, Kinder of Colour[1]. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche, die abweichend von der gesellschaftlichen Norm aufwachsen, sich auch außerhalb ihrer Familie wiederfinden. Das stärkt das Selbstwertgefühl und unterstützt die Identitätsfindung. Wenn die Held*innen aus der Geschichte etwas mit ihnen zu tun haben, können sie sich identifizieren und von ihnen lernen.

 

 

Übrigens profitieren auch Kinder und Jugendliche ohne Diskriminierungserfahrungen von Büchern, in denen vielfältige Lebensrealitäten dargestellt werden. Sie lernen andere besser zu verstehen und sich in sie einzufühlen. Die Vorstellungen zu der Frage „Was ist eigentlich normal?“ werden vielfältiger und lassen weniger Platz für Vorurteile. „Representation matters“ sagt die Aktivistin und Bildungsreferentin Tupoka Ogette. Das bedeutet für uns: Das was sichtbar ist, macht einen Unterschied und kann Veränderungen bewirken. Genau das möchten wir mit unseren Büchern auf eine kindgerechte Art und Weise erreichen. Wir möchten unterschiedliche Lebensrealitäten sichtbar machen und so Vorurteile vermindern.

 

 

Rassismus und Diskriminierung sind nicht von der Natur gegeben. Es sind Denkmuster und Handlungen, die von Menschen konstruiert, das heißt entwickelt wurden, um sich über andere zu stellen und mehr Macht zu haben. Angefangen hat das alles in der Kolonialzeit. In der Zeit, als Länder wie Deutschland, England oder Spanien, zum Beispiel Länder in Afrika, Südamerika oder Asien für sich beansprucht und ausgebeutet haben. Auch wenn wir nicht mehr in der Kolonialzeit leben, ist unsere heutige[LW3]  Gesellschaft weiterhin durch rassistische Strukturen und Denkweisen geprägt.

 

Sie zeigen sich im Alltag auf individueller Ebene, in Bereichen wie Bildung, Arbeit und Wohnen auf institutioneller und struktureller Ebene UND sie werden (häufig unbewusst und ohne Absicht) von Generation zu Generation weitergegeben. Bücher können dabei helfen, rassistische und vorurteilsbehaftete Denkweisen zu durchbrechen und sie damit zu De-konstruieren. Sie können dazu beitragen eine Welt zu erschaffen, die weniger rassistisch ist. Eine Welt in der alle Menschen den gleichen Wert haben, unabhängig ihrer Hautfarbe, Religion, Herkunft, Sexualität, ihres Geschlechts.

 

Welche Bücher gibt es in unserer Bibliothek?

 

Unsere Bibliothek besteht aktuell aus insgesamt 52 Büchern, davon sind 20 Bilderbücher, 23 Jugendbücher und 9 Bücher für erwachsene Schüler*innen und Lehrer*innen. Wir hoffen die Bibliothek in den nächsten Jahren stückweise erweitern zu können. Bei der Auswahl der Bücher haben wir uns viele Gedanken gemacht und uns an einer Kriterienliste orientiert, die wir euch hier verlinken.

 

 

Zum Beispiel haben wir darauf geachtet, dass in den Büchern, Fremdbezeichnungen wie das N-Wort nicht vorkommen, um Kinder und Jugendliche nicht zu retraumatisieren und einen Raum mit gewaltfreier Sprache zu gestalten. Bei dem einen Buch, in dem es doch vorkommt, ist das auf der Ausleihliste gekennzeichnet und wir empfehlen, mit den Schüler*innen darüber zu sprechen, warum es nicht mehr angemessen ist, diese und andere diskriminierende Wörter zu benutzen.

 

 

Es ist uns auch wichtig, dass Held*innen in den Büchern nicht als „besonders“ oder „anders“ gekennzeichnet werden, sondern ganz selbstverständlich von ihnen und ihrem Alltag erzählt wird. Einige Kinder und Jugendliche machen immer wieder die Erfahrung, dass sie als „anders“ und „nicht zugehörig“ eingeordnet werden. Grund für diese Andersbehandlung und Ausgrenzung sind häufig Merkmalen, die von außen festgelegt werden. Diese Erfahrung wirkt sich negativ auf den Selbstwert und die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aus. Darum ist das Recht auf eine diskriminierungsfreie Behandlung und Entwicklung in Artikel 2 der Kinderrechte[2] festgelegt. Auch wir an der Carl-Ruß-Schule verfolgen das Ziel, alle Kinder und Jugendlichen unserer Schule in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern.

 

 

Ein weiterer Anspruch an die Bücher unserer Bibliothek ist, dass die handelnden Personen in den Geschichten nicht stereotyp dargestellt werden. Das heißt sie werden nicht so dargestellt, wie man sich Personen einer bestimmten Gruppe typischerweise vorstellen würde, mit einer bestimmten Frisur, bestimmter Kleidung oder bestimmten Fähigkeiten. Sie sollen stattdessen ganz individuell, mit ihren Stärken, Vorlieben und Wünschen, beschrieben werden. Denn je mehr Geschichten wir über ganz unterschiedliche Kinder, Jugendliche und Erwachsene hören, desto feiner und vielfältiger wird auch das Bild, dass wir von Menschen haben, denen wir begegnen und desto eher stellen wir fest, kein Mensch „passt in eine Schublade“.

 

 

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Unterstützer*innen!

 

 

Wir konnten die Bücher mit Unterstützung des Freundeskreises der Stadtbibliothek Solingen, der Don Bosco Aktionsgruppe e.V. und der Buchhandlung Kiekenap Solingen anschaffen. Herzlichen Dank!

 

 

Was sonst noch?

 

Wer über einige der verwendeten Begriffe gestolpert ist, oder sich schon länger Selbstbezeichnungen von diskriminierungserfahrenen Menschen auseinandersetzen möchte, kann das zum Beispiel hier tun:

 

https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/people-of-color-poc/

 

 

Die vollständige Checkliste findet ihr in der „Handreichung 6 bis 9“ unter dem Reiter „Empfehlungen für Kinderbücher“ auf der Seite des ista: https://situationsansatz.de/fachstelle-kinderwelten/kinderbuecher/kinderbuch-empfehlungen/

 

 

 

Hier finden Sie unsere Bücherliste.

 

 

 

[1] ist eine Selbstbezeichnung von Kindern mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiß deutsch und westlich wahrgenommen werden und sich auch selbst nicht so definieren

[2] Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa aufgrund rassistischer Zuschreibungen, nach Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand